ok...ich werd mal versuchen meine erlebnisse zu schildern...
der 9. november 1989 war für mich anfänglich ein tag wie jeder andere arbeitstag...zu dem zeitpunkt war ich 17 jahre alt und im 2 lehrjahr zum maler/lackierer...
am abend im tv sah ich gewöhnlich die nachrichten und bekam diese ominöse pressekonferenz nur halb mit...gut,es ging um irgendwelche reiseregelungen und sonstiges blabla...mit der zeit hörte man da eh nicht mehr so genau hin...
das land war in einer aufbruchstimmung und es gab ja jeden tag neue meldungen über die veränderungen im land und die ausreisewelle über drittländer wie ungarn,der tschechoslowakei oder polen...
im verlaufe des abends hörte ich wie gewöhnlich radio (meist SFB 2 oder RIAS 2) und beschäftigte mich mit allerlei dingen und ging so gegen halb um 10 zu bett,so das mir erstmal nicht die tragweite des ganzen bewusst wurde...
erst am nächsten morgen auf der baustelle wurde uns erst richtig klar,worum es ging...
unsere auftraggeber (eine familie,deren haus wir renovierten) schüttelte uns morgens die hand,drückte meinem gesellen und mir jeweils 10 westmark in die hand...sagte,wir sollen uns doch ausm kühlschrank bedienen,brötchen stehen auf dem tisch und verabschiedeten sich mit den worten "wir fahren jetzt erstmal in den westen zu unseren verwandten"...
wir schauten uns bedeppert an und erst da dämmerte uns,welch tragweite dieser eine satz auf der pressekonferenz hatte...
am samstag gings dann mit den kumpels los zur volkspolizeidienststelle,um das visum zu beantragen...nicht das wir dann vor der grenze stehen und nicht rüber kommen,bloß weil uns eventuell ein stempel fehlt...sicher ist sicher...
gesagt getan...gute 4 stunden angestanden und als ich an der reihe war,stand da ein polizist aus dem nachbarhaus vor mir,der noch nie gut auf mich zu sprechen war und verweigerte mir den stempel im ausweis mit der begründung,ich seie noch nicht volljährig und ich müsse doch einen erziehungsberechtigten oder dessen ausweis mitbringen...
verdammt!...das war seine rache...mit diesem kerl hatte ich schon öfters einige auseinandersetzungen,nur weil meine kumpels und ich nicht dem erscheinungsbild eines "vernünftigen" ddr-bürgers entsprachen...als depeche mode-fan fiel man damals halt auf und entsprach eben nicht der norm...hmm...was nun tun??...
am sonntag also nochmal hin...diesmal aber zusammen mit dem ausweis meiner mutter...
hendrik natürlich nicht dumm,um nicht nochmal 4 stunden anzustehen,gleich vor und dem einlassenden "genossen" an der tür gesagt,das ich gestern schonmal da war und mir gesagt wurde,ich solle mich gleich am einlass melden...
ohne murren durfte ich rein und hatte innerhalb von 5 minuten die heiß ersehnten visa...
am montag und dienstag hatte ich berufschule...urlaub war also nicht möglich...aber am mittwoch wäre ein idealer tag...
montag also im betrieb angerufen und gefragt,ob es möglich wäre...
mit leicht verschmitzter stimme fragte mich der meister "kommste denn wieder?"...
"selbstverständlich!" sagte ich und er gab mir das ok...
dienstag abend war der große tag gekommen...mit dem letzten nahverkehrszug gings nach bitterfeld und von dort aus mit dem letzten d-zug nach berlin...
gegen 4 uhr in berlin-schönefeld angekommen und von dort aus mit der s-bahn weiter zum übergang friedrichstraße...
dort passkontrolle -zum glück mit visa im ausweiß...
auf dem bahnsteig dann die frage "sind wir schon im westen oder nicht?"...irgendwie sah das immer noch nach osten aus...
weiter gings dann mit der s-bahn und je länger wir fuhren,umso mehr spürten wir,jetzt sind wir wirklich im westen berlins...
am zoologischer garten erstmal raus und das nächste telefon gesucht...zettel aus der tasche und die nummer angerufen,welche mir meine oma aufgeschrieben hatte...
am anderen ende der leitung meldete sich mein onkel und der fragte mich nach kurzer erläuterung,das ich mich in westberlin befinde,wo er mich treffen könne...
das wiedersehen war großartig und wir feierten dieses freudige ereignis...diesmal war ich es aber,der die verwandtschaft in ihrer stadt besuchte...das hätte keiner je für möglich gehalten...
spätabends gings wieder nach hause und die nacht war recht kurz,da ich am nächsten tag ja wieder pünktlich auf arbeit sein wollte...
im verlaufe der nächsten wochen fuhr ich noch mehrere male nach berlin,so das mein ausweis mittlerweile mit grenzstempel voll war...
es gab immer noch so vieles zu sehen und mein größter wunsch sollte nun auch endlich in erfüllung gehen - einmal an der siegessäule stehen und unter dem brandenburger tor entlang gehen...vorher konnte man beides ja nur aus der ferne betrachten...
es war schon eine echt geile und vor allem emotionale zeit...wer das miterlebt hat,wird sich wohl ewig daran erinnern...