Quelle / Komplette Meldung:Thomas Hornauer
Jupiter am galaktischen Zentrum
Die fünfte Dimension des Fernsehens: Der Medienunternehmer Thomas Hornauer sendet noch immer aus Ludwigsburg
Ludwigsburg - Von den Medienwächtern im Land ist er zum unerwünschten Programmmacher erklärt worden. Doch das schert Thomas Hornauer wenig. Er sendet noch immer Esoterisches aus Ludwigsburg und sucht nach neuen Wegen, die Zuschauer zur Kasse zu bitten.
Eigentlich kann nichts schiefgehen. Jupiter stehe an diesem Abend am galaktischen Zentrum, erklärt der Schweizer Astrologe Ursus: "Eine super Konstellation, wie sie nur alle zwölf Jahre vorkommt." Das hört Thomas Hornauer - Sternzeichen Krebs, Aszendent Waage - doch gerne. In zwei Stunden will er, der Alleingesellschafter des Ludwigsburger Kanals Telemedial, live vors Publikum treten und sein neues Geschäftsmodell vorstellen. "Mehrwertfernsehen" verspricht Hornauer. Den Begriff habe er sich selbst einfallen lassen, einer seiner vielen Geistesblitze. Künftig sollen die Zuschauer für sein Programm freiwillig bezahlen. Man könnte auch sagen: sie sollen spenden. Hornauer drückt sich anders aus. "Ich erwarte von unseren Kunden einen spirituellen Energieausgleich."
Thomas Hornauer machte vor einigen Jahren bundesweit Schlagzeilen. Im Februar 2003 kaufte der gelernte Gießer für 1,6 Millionen Euro den insolventen baden-württembergischen Regionalsender BTV. Hornauer war durch Sex-Hotlines und Erotikclips reich geworden und erfüllte sich mit dem eigenen Fernsehprogramm einen Traum. Für die Medienwächter im Land wurde der schrullige Emporkömmling zum Problemfall. Statt brav über Weinfeste im Remstal, Geburtstage des Ministerpräsidenten und Unfälle auf der A8 zu berichten, lud Hornauer Geisterheiler ins Ludwigsburger Studio ein und ließ Hexen Tarotkarten legen. Die Kirchen waren entsetzt, die Politiker auch, und die Boulevardpresse beschimpfte ihn als Irren. Gegen die geballte Macht war Hornauer chancenlos: Die Landesanstalt für Kommunikation entzog ihm die Lizenz, und sein Sender flog aus dem baden-württembergischen Kabelnetz.
Dem schnellen Aufstieg war ein ebenso schneller Abstieg gefolgt. Der Fernsehrevoluzzer Thomas Hornauer schien vernichtet, zumal sich das berufliche Desaster mit einem privaten Störfall überschnitt: Seine Frau ließ sich scheiden und zog mit den drei Töchtern aus dem protzigen Plüderhausener Eigenheim aus. "Ich war damals psychisch fertig", sagt er. "Doch der spirituelle Weg hat mir geholfen, das alles zu überstehen."
Thomas Hornauer glaubt an alles Mögliche, schwärmt von Buddhismus und Magie, Kabbalismus und Astrologie. Sein Nadelstreifensakko zieren goldene ostasiatische Anstecker, sie sollen seine innere Verbundenheit mit dem thailändischen König symbolisieren. In dessen Nachbarschaft hat er ein Entspannungszentrum eröffnet. Hornauer suchte die Erleuchtung, hat sechs Monate lang meditiert. "Ich habe mich verändert", sagt er.
Das Trinken hat er längst aufgegeben, das Rauchen auch, und seit ein paar Monaten isst er nicht einmal mehr Fleisch. "Wenn ich das Animalische nicht aufnehme, erreiche ich höhere geistige Sphären." Die dünnen Haare trägt er kürzer, er will seriös wirken. Deshalb bleibt auch die rote Corvette in der Garage. Der neue Thomas Hornauer lenkt eine silbergraue S-Klasse, amtliches Kennzeichen WN-TH 8000, und trägt dunkle Anzüge.
Er springt auch nicht mehr vor der versammelten Belegschaft auf den Tisch und schreit: "Kommt raus, ihr Feiglinge, ich will Krieger, mit denen ich Millionen verdienen kann, keine zahmen Küken!" Thomas Hornauer verkündet seine Botschaften jetzt subtiler. Mit sanfter Stimme erklärt er seinen Untergebenen den innovativen Erfolgsplan: "Wir wollen unsere Zuschauer zu Kunden machen. Ich werde ihnen das in einer siebentägigen Pilotphase selbst erklären." Betretenes Schweigen in der Runde. "Eure wahren Qualitäten werden noch deutlicher zum Vorschein kommen. Die Scharlatane fliegen raus."
Hornauer hat seine Auferstehung der Behörde Komm-Austria zu verdanken. In Österreich erhielt der schräge Schwabenvogel im vergangenen Jahr die Lizenz für einen neuen Fernsehkanal. Telemedial sendet europaweit über den Astra-Satelliten, etwa jeder zweite Haushalt in Baden-Württemberg kann den Sender empfangen. Um 21 Uhr beendet der Kinderkanal Kika mit Bernd das Brot sein Programm, anschließend erscheinen auf der Frequenz Thomas Hornauers Sterndeuter, Hellseher und Kartenleger.
Die sogenannten Berater verkaufen ihre Prophezeiungen für 1,99 Euro pro Minute bei Anruf aus dem deutschen Festnetz. Die Zuschauerfragen wiederholen sich täglich: Passt mein Partner? Werde ich wieder gesund? Wie sieht’s mit dem Geld aus? Die Hilfesuchenden - meist ältere Frauen - lechzen nach Antworten, die entweder so vage sind, dass sie auf alles und jeden zutreffen, oder so deutlich, dass sie keinen Widerspruch dulden. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" urteilt: "Telemedial ist ein einziges, mit Schicksalsglauben verbrämtes Abzockunternehmen."
Noch 30 Minuten bis zur Sendung. Der diensthabende Starastrologe Alexander Kopitkow trifft ein, ein hagerer Mann mit ernster Miene. Kopitkow hat schon zu BTV-Zeiten die Anrufer nach Geburtsdatum, -uhrzeit und -ort gefragt, die Daten in seinen Laptop gehackt und dann Ratschläge erteilt wie: "Sie sollten die Finger von dem Kerl lassen, der bindet sich nur ungern, und treu ist er auch nicht." Mittwochs und freitags tritt er nun bei Telemedial auf, live von 21 bis 23 Uhr. Dafür bekommt er keinen Cent. Wer allerdings außerhalb der Sendezeit einen "diskreten Privattermin" mit ihm vereinbaren will, wird kräftig zur Kasse gebeten: 180 Euro für zehn Minuten sind dann fällig. Die eine Hälfte erhält Kopitkow, die andere bleibt bei Telemedial als Vermittlungsgebühr.
Rund 450 freiberufliche Berater beschäftigt Hornauer, davon tauchen nur wenige auf dem Bildschirm auf. Die anonyme Masse der esoterischen Dienstleister sitzt däumchendrehend daheim und wartet, dass ihnen das Callcenter einen Ratsuchenden durchstellt. Zwischen 500 und 5000 Anrufer registriert Telemedial pro Sendung. Die Einnahmen reichen laut Hornauer nicht, um den 2500 Quadratmeter großen Ludwigsburger Sendekomplex, die Wiener Dependance und die 35-köpfige Crew zu finanzieren. Seit er BTV gekauft habe, sagt der Medienunternehmer, habe er mit seinem Fernsehabenteuer mehr als fünf Millionen Euro in den Sand gesetzt.
Das Ruder muss herumgerissen werden, und das schafft nur der Kapitän persönlich. Der 46-jährige Hornauer hat in seinem bewegten Leben bereits viele Rollen ausgefüllt: Rockmusiker, Gastwirt, Pornofilmer. Nun gibt er den Gottschalk für Arme. Der Kameramann, ein langhaariger Kerl im Heavy-Metal-Shirt, wird nervös: "Wo bleibt der denn?" Zwanzig Sekunden vor Sendebeginn stürmt Hornauer in das Studio 9, er musste noch geschwind für kleine Jungs. Zum Pudern hat’s nicht mehr gereicht, Hornauers Gesicht glänzt im Scheinwerferlicht. Seine Augen wandern hinter der Goldrandbrille umher. Zur Begrüßung sagt er: "Liebe Kinder, die ihr Kinderkanal geguckt habt. Holt mal schnell die Mama und sagt ihr, dass hier ein neuer Onkel ist." Hornauer spricht holprig über sein visionäres Mehrwertfernsehen. Dann die Frage an die Regie: "Haben wir einen Anrufer in der Leitung?" Aha, kein Anrufer. Jupiter hilf!
Auch nebenan bei den sechs Studioberatern tut sich noch nicht viel. Ursus, der Schweizer Astrologe, plaudert über seine Vergangenheit als Alphirte, Lastwagenfahrer und Druckereiabteilungsleiter. Da habe er zwar mehr verdient, sei aber nicht so bekannt gewesen. Kürzlich hat ihn jemand an der Raststätte um ein Autogramm gebeten. Das hat Ursus sehr gefreut. "Im Fernsehen aufzutreten ist schon super, oder?"
Die erste Anruferin! Doch Wiltrud aus Gießen will nicht den Programmmacher Hornauer sprechen, sondern den Sterndeuter Kopitkow. Dieser erstellt routiniert ein Horoskop. Währenddessen wird ein Laufband eingeblendet: "Hat sich Ihr Leben durch unsere Sendung verbessert?" Wer das bejaht, hat zwei Möglichkeiten: Entweder er wählt die Telefonnummer 0900/5008000 und ist automatisch auf einen Schlag 30 Euro los oder er überweist einen beliebigen Betrag auf das Konto 3000 der Volksbank Welzheim. Dann steht dem spirituellen Energieausgleich nichts mehr im Weg. Andernfalls ist das Seelenheil des Publikums in akuter Gefahr. "Es muss jeder selbst mit seinem Gewissen ausmachen, ob er für die Leistung, die wir erbringen, etwas bezahlt oder uns unvergütet konsumiert", sagt Thomas Hornauer und bezeichnet das eigentümliche Abkassierkonzept als "fünfte Dimension des Fernsehens".
Vielleicht wird es Hornauers letzte Dimension. "Wir setzen alles auf eine Karte", sagt er. "Entweder wir steigen wie Phoenix aus der Asche oder gehen sang- und klanglos unter." Um die österreichischen Lizenzauflagen zu erfüllen, muss Hornauer mit seinem Kanal in den kommenden Monaten nach Wien umziehen. Im Juni läuft sein Mietvertrag in Ludwigsburg aus, bis dahin sollte das Telemedial- Spendenkonto prall gefüllt sein. Das wäre gut für Hornauers Karma.
http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/p ... hp/1585178