ARD "faktenfinder" nicht kritikfähig?

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PREMIEREWORLD
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ARD "faktenfinder" nicht kritikfähig?

Beitrag: # 100005Beitrag PREMIEREWORLD »

Einen sehr interessanten Artikel unter dem Titel "Die ARD verrechnet sich" hat die FAZ herausgegeben. Dieser Artikel ist aus meiner Sicht berechtigt und wirkt nicht gerade souverän in puncto Kritikfähigkeit aufseiten der Redaktion ARD "faktenfinder". Natürlich können Fehler immer passieren, wenn man aber den Anschein erweckt, dass etwas nicht ganz recherchiert wurde, dann kann man das wenigstens zugeben.

Änderung einen Tag später

Gensing zeigte sich auf Twitter zu­nächst unbelehrbar. „Kurz dazu: die Zahl 65 gibt’s beim RKI, die 17 nicht.“ Einen Tag später wurde der „Faktenfinder“-Text dann doch geändert. Jetzt steht dort: „Die erwähnte Behauptung einer Twitter-Nutzerin, es habe in den vergangenen vier Wochen ‚17 tote Kinder‘ ge­geben, basiert auf einer Rechnung mit ungeprüften Zahlen, die das RKI zu verschiedenen Zeitpunkten veröffentlicht hatte. Das Institut weist in der ent­sprechenden Statistik allerdings extra darauf hin, dass sich die jeweiligen An­gaben noch verändern könnten, da sämtliche gemeldete Todesfälle bei den unter 20-Jährigen geprüft werden. Die bestätigten Zahlen werden mit einem Meldeverzug im Wochenbericht genannt.“

Die Korrektur vermeidet das Eingeständnis des Fehlers der Redaktion. Nur deshalb hatte Gensing behaupten können, die Herkunft der Zahl bleibe unklar, weil er den nächstliegenden Rechercheschritt unterlassen hatte. Ihm war die Sa­che unklar geblieben. Das kann vorkommen, da man jede Recherche irgendwo abbrechen muss. Der Faktencheck soll aber ein besonders gründliches Verfahren sein, mit dem der Journalismus die systematische Selbstkritik imitiert, wie sie die Wissenschaft im Anschluss an Karl Poppers Einsicht pflegt, dass Gewissheit den Versuch der Falsifikation voraussetzt.


Pössel weist darauf hin, dass Gensings Text dem formalen Standard der Gattung nicht genügt: „Ein Faktencheck sollte klar benennen, welche Aussagen er überprüft. Er sollte dann die für die Überprüfung entscheidenden Daten und Informationen benennen, auf die er sein Urteil stützt, dabei nichts Relevantes übersehen, und auf diese Weise am Ende zu einem Urteil über die genannten Aussagen kommen.“ Gensing gab Prien mittels einer Anhäufung von Expertenmeinungsäußerungen recht, ohne auch nur zu klären, was genau sie mit der Unterscheidung von Toden „mit“ und „wegen Covid-19“ gesagt hatte.

Statt zuzugeben, dass eine Privatperson besser informiert war als der Recherchespezialist, und sich zu entschuldigen, macht Gensing die Sache noch schlimmer, indem er im korrigierten Text suggeriert, die „Rechnung mit ungeprüften Zahlen“ sei unseriös. Auf Twitter setzte er hinzu, er wolle einen „Hinweis in Sa­chen Lesekompetenz“ geben. Es geht aber um die von den Gesundheitsämtern bezogenen Rohdaten, auf denen nun seit zwei Jahren die Einschätzung des jeweils jüngsten Standes der Pandemie beruht. Alle Aussagen über Zu- und Abnahme von Fällen rechnen Zahlen zusammen, die zu verschiedenen Zeitpunkten veröffentlicht werden. Die Pädagogin stützte sich auf eine kontinuierlich aktualisierte Tabelle. Der Zuwachs um siebzehn Fälle in vier Wochen ist „ein beeindruckend starker Anstieg“ (Markus Pössel), wie im­mer er sich nach Prüfung jedes einzelnen Falls erklären mag.

Den Kampf gegen Fake News führt Gensing auch mit Vorträgen und Bü­chern. Die Vermarktung des „Faktenfinders“ unter der Marke „Tagesschau“ kalkuliert mit dem Nimbus der Objektivität, die man der Hauptnachrichtensendung immer noch zuschreibt. Der „Faktenfinder“ möchte den großen amerikanischen Medienorganisationen nacheifern, die das „fact-checking“ professionalisiert haben. Dort dient es aber zuerst der Selbstkontrolle. Hier hat die ARD eine Einzelperson, die weder Politiker noch Journalist ist, die Ar­roganz ihrer Macht spüren lassen.
Quelle: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/ ... 57-p2.html
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