Regulierer: "Premiere ist keine Plattform"

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Rene3005
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Regulierer: "Premiere ist keine Plattform"

Beitrag: # 24902Beitrag Rene3005 »

Leipzig/München - Im Herbst tritt der 10. Rundfunkänderungsstaatsvertrag in Kraft. Erstmals werden in Deutschland damit "digitale Plattformen" definiert. DIGITAL FERNSEHEN sprach mit einem der Architekten des Vertragswerkes, Klaus-Peter Potthast von der bayerischen Staatskanzlei.

DIGITAL FERNSEHEN: In der Novellierung des Rundfunkstaatsvertrags spielt das Thema der digitalen Plattformen zum ersten Mal eine deutliche Rolle. Woraus hat die Politik die Notwendigkeit für eine solche Regulierung abgeleitet?

Klaus-Peter Potthast: Die öffentliche Diskussion hat unter dem Thema Plattformen drei Phänomene diskutiert: die Zusammenfassung auf einem Empfangsgerät, die Frage der gemeinsamen technischen Übertragung und die wirtschaftliche Verwertung in einem Gesamtangebot. Hier hat der Gesetzgeber die Notwendigkeit gesehen, klarzustellen, dass es in erster Linie auf die Vielfalt bei der Übertragung ankommt und dort für den Bürger, aber auch für die Anbieter Regeln zu schaffen, die einen chancengleichen Zugang ermöglichen.

DF: Ist die Vielfaltsicherung im Rundfunkstaatsvertrag gelungen?

Potthast: Im Ergebnis ja. Durch die Aufteilung der Kapazitäten zu je einem Drittel ist Vielfalt ausreichend gegeben: bis zu 1/3 Must-Carry-Programme, bis zu 1/3 eine Prüfung nach Vielfaltsgesichtspunkten und 1/3 für den Netz- oder Plattformbetreiber als frei verfügbare Kapazität. Damit wurde die bisher für die digitale Kabelweiterverbreitung getroffene Regel verallgemeinert.

DF: Wer ist aus Sicht des Rundfunkstaatsvertrages Plattformbetreiber?

Potthast: Es ist derjenige, der den Endkontakt zum Kunden herstellt und dort ein Gesamtangebot, in dem nicht nur eigene, sondern auch fremde Sender vermarktet werden, präsentiert. Ein Plattformbetreiber im Sinne des Rundfunkstaatsvertrages ist der "Torwächter" für den Zugang zu einer Rundfunkversorgungsstruktur.

DF: Wer also Programme bündelt und diese seinen eigenen Kunden selbst anbietet, ist ein Plattformbetreiber?

Potthast: Erfasst wird derjenige, der die technische Infrastruktur kontrolliert. Premiere beispielsweise ist in diesem Sinne keine Plattform, da die Angebote in der Regel zwar als Paket über Satellit oder Kabel vertrieben werden - aber neben anderen Angeboten. Probleme hinsichtlich der Vielfalt bereiten doch nur Anbieter, die eine Ausschließlichkeitsposition beim Kunden innehaben. Sobald ich auf dem gleichen Endgerät ohne zusätzlichen Aufwand auch etwas anderes wählen kann, dann spielt es keine Rolle, dass ein Anbieter mehrere Programme zu einem Angebot bündelt.

DF: Wer gilt denn in Deutschland nach dieser Definition zurzeit überhaupt als Plattformbetreiber?

Potthast: Einmal sind das die Kabelnetzbetreiber wie Kabel Deutschland oder Unitymedia. Sie bündeln eigene und fremde Angebote und in der Regel ist das der einzige Zugang eines Haushalts zu Rundfunkangeboten. Das trifft auch für Astra zu. Des Weiteren bildet das geplante Handy-TV mit Mobile 3.0 eine Plattform, weil es auf den Geräten in DVB-H Technik derzeit keine Alternativen gibt.

DF: Premiere war früher eine Plattform...

Potthast: Richtig - solange sie die Receivertechnik vorgaben und sie die einzigen waren, die digitales TV anboten. Damit hatte Premiere Ausschließlichkeitscharakter. Heute ist ein Programmanbieter nicht mehr gezwungen, bei Premiere unterzuschlüpfen, wenn er digital zum Zuschauer übertragen werden will. Nochmals: Auf Vielfalt und Alternativen kommt es an. Wenn Sie nicht im Kabel der KDG sind, dann kann Sie der Kabelkunde nicht empfangen. Wenn Sie als Kabelkunde Premiere nicht abonnieren, haben Sie nur eines von vielen freien oder verschlüsselten digitalen Angeboten nicht.

DF: Wie gewichten Sie: Wessen diskriminierungsfreier Zugang ist maßgebender für die Einstufung als Plattform: Programmanbieter oder Zuschauer?

Potthast: Wir sind zurzeit sehr stark auf den Anbieter ausgerichtet. Das belegt die jetzige Regulierung, die auch auf entsprechende Zugangsschnittstellen und anderes abstellt. Dass der Kunde gegen jeden Anbieter den Anspruch auf Durchleitung eines bestimmten Angebotes hat, wie wir es aus dem TK-Recht für allgemeine Dienste kennen, wäre eine denkbare Regelungsalternative.

DF: Mit anderen Worten geht das Rundfunkrecht in der Einstufung einer möglichen Plattform maßgebend davon aus, dass ein Anbieter nicht diskriminiert werden darf?

Potthast: Ja. Wenn beispielsweise Unternehmen wie Astra oder Eutelsat auf die Idee kämen, eine Schnittstelle anzubieten, die nicht alle Daten eines Anbieters überträgt oder allenfalls zu unannehmbaren Bedingungen für einzelne, dann wäre das doch diskriminierend. Etwas anderes ist es, wenn ein Programmanbieter nicht in eine Vertriebsgemeinschaft aufgenommen wird, z. B. nach dem Modell von Premiere Star - das regelt der Staatsvertrag nicht.

DF: Die Einschränkung der Regulierung auf Infrastrukturanbieter halte ich persönlich für realitätsfern. Kapazitäten sind ausreichend gegeben, die Gatekeeper der heutigen Zeit sind die Möglichkeiten der Distribution.

Potthast: Sie hatten nach dem Rundfunkrecht und der Belegung von Kapazitäten gefragt. Der Plattformbegriff des Rundfunkstaatsvertrages ist infrastrukturbezogen. Daneben sind auch noch kartellrechtliche und wettbewerbsrechtliche Vorgaben zu beachten. Natürlich gibt es Vertragsfreiheit. Aber wenn eine Vertriebsgemeinschaft eine marktbeherrschende Stellung eingenommen hat, die sich auf den Marktzugang auswirkt, dann stellt sich die Frage nach Diskriminierungskontrolle auch im Bereich Vertrieb.

DF: Was erwartet künftige Plattformanbieter wie z. B. nach Ihrer Definition Astra?

Potthast: Bisher ist Astra das Beispiel für ein offenes, vielfältiges Angebot; das Unternehmen bildet alle Free-TV-Programme ab und hat daneben eine große Zahl verschlüsselter Programme, die man sich freischalten kann. Problematisch würde es dann, wenn Astra sagte: 'Wir verkaufen bestimmten Sender keine Übertragungskapazitäten, obwohl vorhanden.'

DF: Ein Plattformbetreiber wäre also verpflichtet, ausnahmslos alle Programme auszustrahlen?

Nein, nicht alle, sondern die Auswahl muss diskriminierungsfrei sein. Faktische Grenzen sind zu beachten, zum Beispiel die Kapazitäten voll belegt sind. Deshalb ist der Satz: 'Die müssen jeden nehmen, der rein will', nicht richtig. Aber sie müssen bei der Auswahl und Vergabe die im Staatsvertrag zugrunde gelegten Überlegungen 1/3 zu 1/3 zu 1/3 berücksichtigen. Wichtig ist hervorzuheben: 1/3 steht zur freien Gestaltung.

Das komplette Inerview mit Klaus-Peter Potthast lesen Sie im DF-Schwestermagazin DIGITAL INSIDER.

http://www.digitalfernsehen.de/news/news_270351.html
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